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Kulturgeschichte des Fahrens im

Ägypten des Neuen Reiches


Einleitung

Dieser Abschnitt des Themenbandes beschäftigt sich mit einer kleinen Kulturgeschichte von Pferd und Wagen in Ägypten.1 Wir beschränken uns auf die Zeit des „Neuen Reiches“, einer historisch abgeschlossenen Periode der Spätbonzezeit von ca. 1550 v.Chr. bis zum Ende der Ramessidenherrschaft im 11. Jhdt. v.Chr2.


Ägyptens prägendes geographisches Element ist der Nil, der Landfahrzeugen ein überall präsentes Hindernis entgegensetzt, dem Transport von Personen und Erzeugnissen mittels Schiff und Boot hingegen jede Möglichkeit eröffnet. Der Fluss trennt und das Schiff vereint gleichsam die Ufer in der gesamten Nord-Süd Ausdehnung des Landes. Kanäle erlauben die Erschließung auch uferferner Bereiche für den Wassertransport. So ist es kaum verwunderlich, dass sich die Zeugnisse des Landtransports mittels Radfahrzeugen zumindest vor dem Neuen Reich auf einen einzigen Beleg3 für Lastentransport beschränken. Zwar ist es für Kulturhistoriker außerordentlich problematisch, „e silentio“, also aus der Abwesenheit von Überlieferung4, auf die Nichtexistenz eines Gegenstandes und/oder seines Gebrauchs zu schließen. Bei der gleichzeitigen Abwesenheit bzw. Spärlichkeit von Wagendarstellungen, dem Fehlen archäologischer Gegenstände aus dem Umfeld Wagen sowie sachbezogener Begriffe und Texte ist die Bedeutungslosigkeit von Radfahrzeugen im Landtransport nach diesem Befund aus drei Quellentypen für Ägypten vor dem Neuen Reich aber zu betonen.



Zur Einführung von Pferd und Wagen


Die Änderung der Quellenlage ist plötzlich und radikal in mehrfacher Hinsicht. Es erscheinten in Ägypten zu Anfang des Neuen Reiches Zeugnisse einer technisch sehr ausgereiften Fahrzeugkonstruktion, die wie selbstverständlich und im Lande ohne die vielerorts als technisch-typologische Vorläuferreihung gesuchte Ankündigung auftritt. Was das Gefährt neben seiner ausgefeilten Konstruktion neu macht, ist das gleichzeitige Erscheinen des Pferdes und, gerne übersehen, die Notwendigkeit einer Innovation zur Steuerung der Zugtiere mittels Trense und Fahrleinen. Mit seinem Gebrauch werden mit einem Male Zeitvorteile beim Personentransport und der Informationsübertragung erzielt, ferner neue taktische Optionen im militärischen Zusammenhang eröffnet. Der neue Typus Wagen und das immer paarweise daran geschirrte Pferd erscheinen gemäß ihres simultanen Auftretens in unverbrüchlicher Kombination als „Gespann“ - ägyptisch „htr“5. Dieser Sachverhalt des plötzlichen Auftretens lässt nach wie vor einer Theorie die größte Wahrscheinlichkeit zukommen, die die Einführung von Pferd und Wagen nach Ägypten einem Vermittler zuschreibt, der vor dem Neuen Reich als politische Macht im Delta unter dem Namen Hyksos6 eine kulturelle wie geographische Zwischenstellung zum östlichen Nachbarland Vorderasien darstellt. Aus diesem Raum sind nämlich frühere Zeugnisse von Wagen und Pferden überliefert.


Mit dem neuen Transportmittel kommt ein Quantensprung in Bezug auf die individuelle Mobilität für den Ägypter zum Tragen, mit all der Faszination und den Konsequenzen, die damit einhergehen. Wir werden sehen, dass sich die dabei zu leistende geistige Auseinandersetzung in Ägypten auch an vorderasiatischen Vorbildern orientierte.


Die Entwicklung von Verwaltung und Organisation

Der Kontext der frühesten Quellen ist zunächst militärisch. Im Zusammenhang mit der den Beginn des Neuen Reiches markierenden Rekonquista des Deltas aus den Händen der Hyksos ist von einem während des Kampfes getöteten Tier und seinem abgeschnittenen Schweif als Trophäe die Rede sowie an anderer Stelle von der inventarisch festgehaltenen Beute, bestehend aus einem Pferdepaar und Wagen. Wenig später ist erstaunlicherweise das aus Vorderasien stammende ikonographische Bild des zu Wagen fahrenden Eroberers mit dem Pharao verknüpft: Ein Skarabäus Thutmose I. zeigt ihn schon zu Wagen fahrend, vor dem Gespann ein gefallener Feind. Die Grundstruktur und Aussage dieses Bildes bleibt für alle nachfolgenden Herrscher bestimmend.


Vor der Regierung Thutmose II.7 sind die für die spätere Zeit so typischen riesigen Schlachtendarstellungen mit Streitwagengruppen auf Tempelreliefs, und somit der Beleg für den Kampf notwendigen massierten Einsatz von Gespannen, noch nicht auf uns gekommen. Freilich gilt auch hier: das Fehlen erlaubt keinen direkten Rückschluß auf die tatsächlichen Verhältnisse. Kombinieren wir andere Befunde, so erweist es sich als plausibel zu behaupten, dass erst unter Hatschepsut und Thutmose III. eine durchorganisierte Verwaltung von Pferdebetreuung und Wagenherstellung möglich, bzw. umgekehrt betrachtet, notwendig wurde. Die frühe achtzehnte Dynastie scheint ein stehendes Heer bei den Wagentruppen noch nicht zu kennen und die Truppen wurden bei Bedarf durch die hochgestellten Gespannbesitzer und ihren spezialisierten Bediensteten gebildet. Erst ein halbes Jahrhundert später in und nach der Regierungszeit dieser beiden Herrscher sprechen die Quellen in Form von Darstellungen inländischer Wagenmanufakturen in den Privatgräbern von Theben und der Administration des Pferdebestandes durch das Amt des „Gestütsvorstehers“ von wachsender Bedeutung und Organisiertheit. Die Gesamtzahl von ca. 2000 erbeuteten Tieren und der zugehörigen Wagen nach dem Kampf Thutmose III. gegen die Koalition von Megiddo in Vorderasien gibt eine Vorstellung davon, wie stark sich das Pferdegespann und seine Nutzung im Orient spätestens zu seiner Zeit etabliert hat. Die Beute Thutmose III. gab auch Anlass, wenn nicht zum Aufbau, so doch zur Restrukturierung der Administration8. Die Ausbildung und Kompetenz im Umgang mit dem Gefährt und seinen Zugtieren oblag den Angestellten der Gespannbesitzer. A.Gnirs9 schließt bei ihrer Untersuchung über die Genese der Beamtentitel und daran abzulesende Veränderung des Militärs im Neuen Reich auf folgende Entwicklung: Die traumatisch verarbeitete Erfahrung des Herrschaftsverlustes in der Hyksoszeit und die zunehmende Internationalisierung innerer ägyptischer Zustände mündet zur späten achtzehnten Dynastie in die Aufstellung eines zentral verwalteten stehenden Militärapparates für Infanterie und Marine auf der einen und Wagentruppen auf der anderen Seite. Sie führt weiter aus, wie sich die Militärbürokratie zunächst als zweiter Karrierepfad neben der traditionellen Verwaltung ausbildete und schließlich in der Ramessidenzeit mindestens gleichrangig, wenn nicht gar vorrangig entwickelte.


Verwendungskontext

Ein besonderes Licht auf die Verwendung des Gespanns auch und gerade im nichtmiltärischen Umfeld hochstehender ägyptischer Beamter werfen die frühen Darstellungen aus den Privatgräbern von El Kab und Theben, die zum Teil noch vor Thutmose III. datieren. Sie gehören im wesentlichen zwei Szenentypen an: Die eine beweist die Nutzung des Gespanns zur Erhöhung der Mobilität im täglichen Leben: Das Gespann wartet mit seinem Fahrer auf den Herrn (siehe Abbildung 1), der in der Nähe seinen Geschäften nachgeht. Eine Beischrift, sozusagen eine Sprechblase, vor dem mit vorderasiatischem Lehnwort „ktn“ bezeichneten Fahrers erhellt den außerordentlichen Stolz des Besitzers: „Steh still, sträube dich nicht, treffliches Gespann des Vorstehers; geliebt von seinem Herrn, wegen dem der Vorsteher gerühmt ist von jedermann“. Vordergründiger kann die Bewertung des Gespanns als Statussymbol kaum vermittelt werden.


Abbildung 1 Ein Gespann wartet mit Fahrer im Feld auf seinen Besitzer.



Der andere Szenentypus betrifft die Jagd zu Wagen (siehe Abbildung 2 und Abbildung 3). Auch hier gibt eine Beischrift Aufschluss über die Gemütslage des Besitzers (Aus ): „Durchziehen des Tales und Durchstreifen der Berge. Vergnügung findend beim Schießen des Wüstenwildes seitens des Königsschreibers, gelobt vom „Guten Gott“ (=Pharao). Der ihm (=Pharao) auf seinen Zügen folgt in das südliche und nördliche Fremdland“10.



Abbildung 2 Jagd zu Wagen aus TT 123. Datierung: Thutmose III


Nun ist zu beachten, dass im ägyptischen Verständnis das Wüstenwild und der feindliche Nachbar symbolisch als ein und dasselbe gelten: Als eine zu vernichtende Bedrohung des gelebten und religiös-ideologisch untermauerten Systems. Eine Hauptaufgabe Pharaos besteht in der Sicherung des Landes durch die Verantwortung für militärische Aktionen, in der er sich als Repräsentant und als Garant des Systems darstellen läßt. Einem Privatmann ist die Darstellung dieser dem Pharao vorbehaltenen Rolle verwehrt und er weicht auf die symbolisch gleich zu wertende „Jagd“ aus11. Die oben erwähnte Beischrift macht dies nur zu deutlich, zumal der Grabherr durch die entscheidende abschliessende Floskel auf seine Beteiligung an den Feldzügen unter Führung des Herrschers abhebt - standesgemäß auf dem Gespann.



Abbildung 3 Jagd aus TT 56. Datierung Amenophis II. Die Beischrift wurde nicht ausgeführt.



Die Verwaltung und Betreuung der Pferde und die Herstellung von Wagen wird in der Folgezeit immer intensiver betrieben. Stallgebäude sind als königliche Einrichtung archäologisch nachzuweisen in der Amarnazeit (Plan siehe Abbildung 4) und unter den Ramessiden. Für den Stall im ramessidischen Qantir (Ostdelta) ist der Organisationsname belegt und die dort seit zwanzig Jahren stattfindende Grabung hat als ein Hauptergebnis die Reste einer solchen Anlage nebst einiger Wagenfunde und bearbeiteter (sic) Pferdeknochen erbracht. Eindeutig als Stallanlagen von Privatpersonen zu identifizierende Baulichkeiten sind hingegen nur im Bild und im Textkontext erhalten12, archäologisch-architektonisch fehlt noch der Nachweis.

Wie sehr man sich in der Oberschicht mit dem Transportmittel identifizierte und welche starke Verbreitung es auch in der täglichen Nutzung gehabt hat13, machen zwei weitere Textstellen deutlich: Eine militärische wegen einer abzusehenden Belagerung durch Aufständische: „Es waren keine Gespanne da, als wir kamen“14 und die Klage eines Privatmannes an anderer Stelle zu ebensolchen unruhigen Zeiten: „Ich war zu Fuß unterwegs, denn weggenommen waren meine Pferde und geraubt der Wagen .... Ohne sie war ich gezwungen zu laufen“.15 In einem zweiten Text heisst es über das Leben eines Vornehmen sinngemäß: „Ein Herr hat eine Barke und Perde im Besitz“.16



Abbildung 4 Plan des Stallgebäude in El-Amarna




Mit Wagenmodellen haben die Kinder im Neuen Reich gespielt. Stellvertretend bilden wir solche mit einem eingeritzten Äffchen als Fahrer und Zugtier ab (Siehe Abbildung 5 und Abbildung 6). Das Motiv erinnert an die Papyri und Ostraca mit den Darstellungen der „verkehrten“ Welt, in denen sich Katze und Mäuse auf Wägen bekriegen.


Abbildung 5 Reste eines Spielzeugwagens mit einem Affen als Lenker



Abbildung 6 Spielzeugmodell



Zahlreiche Gegenstände aus dem täglichen Leben werden mit Pferden, Wagen oder ganzen Gespannen als Motiv verziert: Bemalte Vasen, durchbrochene bronzene Topfständer, Schmuck, Hundehalsbänder, Peitschengriffe etc. Die vollständige Liste würde den Rahmen dieses kleinen Aufsatzes sprengen. Von der großen Auswahl bilden wir hier einen Kamm (Abbildung 7) ab.



Abbildung 7 Ein Kamm (im Paar erhalten) mit Pferd am Trog als Zierde und Handhabe



Betreuung der Tiere

In Ägypten fehlt ein so beeindruckendes Dokument, wie es der Kikkuli-Text aus Vorderasien darstellt. Wir sind vielmehr gezwungen, das Bild von der Bedeutung von Pferd und Wagen als ein Puzzle aus vielen Quellen und Quellentypen zu legen. Bei den Pferden treten ganz verschiedene Bezeichnungen auf, die eine Unterscheidung nach Geschlecht und Alter erkennen lassen17 und zum Teil vorderasiatischen Sprachen18 entlehnt sind und manchmal Übertragungen von ägyptischen Worten für solche Eigenschaften wie „Muttertier“, „Junges“ etc. erkennen lassen. Die Bevorzugung einer bestimmten Farbe, wie in Vorderasien anhand von Schimmelopfern belegbar, können wir in Ägypten nicht nachweisen. Alle Pferdefarben und auch Schecken sind in den Darstellungen vertreten19. Die ab Amenophis II. bildlich im Gegensatz zur langen Mähne nur mehr auschließlich belegte gekürzte Mähne kennt man indirekt auch aus einem vorderasiatischen Text, wo das Scheren bezeugt ist. Den Schweifansatz hat man hin und wieder entweder mit Band umwickelt oder auf die Länge von wenigen Zentimetern geflochten.20 Als Körperpflegemittel, vielleicht für die Hufe, ist schließlich auch einmal Öl aufgezählt: „Ich gebe das Öl ihrer Salbung monatlich aus“21. Eine andere Maßnahme ist das Aufschneiden der Nüstern auf der Oberseite, das auf einem Relief der Amarnazeit 22 deutlich erkennbar ist. Das soll den Luftzugang deutlich verbessern, vielleicht gerade im Zusammenhang mit der noch suboptimalen Schirrung über Halsgurte in der Spätbronzezeit. Eine solche Operation ist später auch aus dem Persien des achten Jahrhunderts noch überliefert.


Von Pferd und Wagen als Statusssymbol war gerade schon die Rede. Welche Beziehung und Vorstellungen der Ägypter vom Pferd, seinen Eigenschaften, dem Wesen und den Betreuungsformen besaß, vermitteln einige ausgesuchte Textstellen:


„Sein Herr erkennt seinen (des Pferdes) Hufschlag“23, das heißt, der Herr erkennt sein Pferd am Trittgeräusch. „Nicht ließen sie Schweiß nach langem Galopp“24 lobt die gute Kondition der Tiere. Neben der Kondition wird die Schnelligkeit mehrfach durch Vergleiche gerühmt: „Schnell wie der Gepard“25, „die Pferde sind schneller als der Wind“, „Es ist wie die Stürme der Lüfte, wenn es losläuft“26, „Ich führe meine Pferde vor dem Wind“27. Man schätzt „Schön an Gestalt und stolzem Schreiten - verständig und gut vor seinem Herrn“28. Schließlich gilt die häufiger hervorgehobene Sorge des Besitzers der ausreichenden und regelmäßigen Gabe von Futter für die Tiere:


Von Anlieferungen des Futtermaterials an die Gestüte ist mehrfach die Rede. Genannt wird dabei Gras in Säcken und auch Getreide35, was mit dem Schiff angelandet oder von Stallburschen in den Sümpfen geschnitten ist36.


Die Fütterung bzw. eher die Tränkung der Tiere erfolgte den Bildquellen nach zu urteilen an eigens gefertigten Trögen. Sie sind bei dem zentralen Stall in Amarna an den äußeren Kopfenden der Boxenlinien im Hof (siehe Pan Abbildung 4 und Abbildung 8) angebracht. Zentral im Stall befindlichen Bodenrinnen dienten, dem Gefälle folgend, auch als Ableitung für das Schmutzwasser, das beim Reinigen der Pferde und Ställe anfiel37.



Abbildung 8 Die Gänge für Pferdeboxen im Stall von Amarna. Zustand der Grabung im Sommer 1988.



Die staatlich organisierte Aufzucht und Versorgung der Pferde erfolgte nach Gauen getrennt.38 Eine solche Aufgliederung legt auch das Landarchiv in Papyrus Wilbour nahe39. Waren die ungezähmten männlichen Tiere40 (vgl. Abbildung 9) genügend ausgewachsen, sandte man sie in Ausbildungszentren wie Memphis.



Abbildung 9 Nachamarnazeitliches Relief mit Pferdeburschen


Den ausführlichen Trainingsvorgaben im Kikkuli-Text nicht vergleichbar sind die spärlichen überlieferten ägyptischen Angaben zur Ausbildung der Tiere: „Ihr Stallmeister trabt sie alle zehn Tage“41 mutet ziemlich wenig an. „Sie tun wirklich alles aus Angst vor Schlägen“42 ist eine wenig kompetent anmutende Beschreibung für die Wahrnehmung der Methoden eines Betreuers. „Es ist gehorsam“43 hebt auf die Bereitschaft des Pferdes zur Fügung nach Anlegen des Zaumzeugs ab. Überhaupt scheint ein Hauptgegenstand der Ausbildung die Unterwerfung des Tieres unter den menschlichen Willen zu beinhalten, wenn wir die mit 'srwh' beschriebene Vorgehensweise des jugendlichen Amenophis II mit dem im medizinischen Kontext verwandten „Krankheit bekämpfen“, also „behandeln“ gleichsetzen. Der gleiche Text gliedert die Elemente einer Abrichtung insgesamt sinngemäß wie folgt:

1.) Umsorgen der Pferde (Befriedigung der Grundbedürfnisse Futter, Wasser, Fellpflege etc)

  1. Die Tiere sollen die Autorität des Ausbilders anerkennen

  2. Kondition durch Bewegungstraining

  3. Korrekte Behandlung der Tiere auf Grund hippologischen Fachwissens um ihr Wesen (aä: qj)


„Wenn es den Knall der Peitsche hört, kennt es kein Halten mehr“44 erläutert den noch heute unveränderten Gebrauch der Peitsche. Von den pädagogisch motivierten Schülerhandschriften45 beschäftigt sich einer mit dem Scheitern eines überforderten Ausbilders: „Er zäumt sie auf. Er lässt sie ins Dornengestrüpp fahren. Seine Beine werden vom Zügel verletzt und sein Leib von Dornen verletzt. Man kommt, um die Versorgung der Tiere zu inspizieren“46. Dieser Inspektion der gescheiterten Abrichtung folgt die Züchtigung durch die eingetroffene „Kommission“.


Ein satirischer Papyrus beschreibt ausführlicher einen ähnlichen Fall, in dem der Betroffene sich mit dem widerspenstigen Gespannpaar beim Anschirren abmüht: „Du bist alleine die Pferde zu jochen, doch Bruder kommt nicht zu Bruder“.47 In der Tat sind am ägyptischen Wagen in den Darstellungen nur Hengste zu identifizieren, so dass der Ausdruck „Bruder“ und die Animosität der beiden zueinander hier seinen Niederschlag fand. Die sporadisch auftretende oder fortwährende Unverträglichkeit der Tiere ist wahrscheinlich auch Grund für eine technische Maßnahme am Geschirr, mit der man mittels dornenbesetztem Radstab an der Außenseite die Innenwendung des Kopfes und somit das Beißen zu verhindern trachtet.


Der religiöse Kontext

Bei der Übernahme von Pferd und Wagen ist auch die Ikonographie des Vorderen Orients in den Kanon ägyptischer Königsdarstellungen kopiert und aufgenommen worden. Als herausragende Tatsache bei der Übernahme des fremden Kulturgutes bleibt festzuhalten, dass für das Gespann kein Bezug zur autochthonen ägyptischen Götterwelt hergestellt wurde. Es existieren also sozusagen weder alte noch neu geschaffene Zuständigkeiten für Fuhrwesen und Pferdehaltung im traditionellen ägyptischen Pantheon. Erst bei den ramessidischen Gespannnamen wird die Beziehung auf den ersten Blick dichter, wenngleich im Namen keine Alleinstellung oder Interaktion zwischen den Eigenschaften eines Gespanns und einer ägyptischer Gottheit sichtbar wird: Die Namen könnten in dieser Form auch für ein königliches Schiff oder einen anderen beliebigen Gegenstand gewählt sein und stehen so vielmehr im weitreichenderen Kontext der klassischen Königsideologie.


Dies gilt nicht für die Verknüpfung mit ausländischen Gottheiten, von denen die vorderasiatischen Anat, Astarte und Ba’l zu nennen sind. Über den in der Pferdebetreuung erfolgreichen Amenophis II „freuten sich Anat und Astarte“. Erst spät in ramessidischer Zeit wird in dem teilweise unverständlichen Text des so genannten „Wagengedichts“ Wagenteil für Wagenteil und Ausrüstungsgegenstände mit einer apotropäischen, manchmal als Wortspiel ausgeführten, manchmal einer Gottheit oder ihrem Handeln gleichgesetzten bzw. traditionellen formelhaften Eigenschaft verknüpft. Der Nutzungskontext bzw. die Intention für die Schaffung und den Gebrauch des Textes erschließt sich nicht unmittelbar. Er stellt jedenfalls den zwanghaft anmutenden Versuch dar, das Gespann jetzt auch mittels der Dichtung in die Sphäre der Königsideologie konkreter einzupassen.48 Anlass für die Verfassung des Textes könnte die feierliche Übergabe49 eines neuen „Staatswagens“ an den König gewesen sein, wobei dann die überspannte Dichtung zum Vortrag kam.


Der persönliche Bezug des Menschen zum Pferd dringt thematisch nur gelegentlich durch. Den Stolz des Besitzers haben wir weiter oben schon angeführt50. Weitaus persönlicher ist da König Ramses II selbst. Verlassen von seinen Mitstreitern zum kritischsten Punkt während der Schlacht um Qadesch dünkt er sich allein mit seinen Pferden. In seiner Rückbetrachtung der Rettung verdankt er seine Flucht aus der Umzingelung durch feindliche Truppen der Treue und Kraft seiner (sogar verletzten?) Pferde. Diese für einen traditionellen ägyptischen König völlig unübliche und eigentlich kompromittierende Darstellung der Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit ist sogar Ausgangspunkt für seinen Eid, durch den er seine Dankbarkeit und Hingabe zu den Tieren propagiert51. Auch zeigt der König den Stolz auf seine Tiere, wenn er sie den Botschaftern anderer Länder präsentieren läßt52. Und der tägliche Besuch im Stall bei den Tieren, die er „mit eigenen Händen aufgezogen hat“ ist ihm an anderer Stelle der Erwähnung wert53. Schließlich ist die Wertschätzung der Tiere auch anhand seltener (Mit-)bestattungen in Privatgräbern nachvollziehbar, Wagenteile oder ganze Wagen als Beigabe sind mehrfach belegbar. Im Grab Ramses V. ist gar ein Raum als „Wagenhalle“ bezeichnet54.


Die Durchgängigkeit für eine Praxis der Namensgebung wird plastisch bewiesen anhand des auffordernd fragenden „Wie lautet der Name Deines Wagens?“ auf Ostracon Deir el Medineh No. 1264. Eine Übersicht über die Namen der königlichen Gespanne:


Typologie und Chronologie der Pferdedarstellungen

Betrachtet man die Pferdedarstellungen über den Zeitraum des Neuen Reiches, so ergibt sich deutlich eine typologische Gliederung in drei Hauptabschnitte55, die auch nachweislich chronologisch scharf abgegrenzt sind. Am sichtbarsten ist die Zäsur zwischen der ersten und zweiten Gruppe anhand der Mähnen. Bis Thutmose III. sind sie lang, später geschoren und aufgestellt. Der deutliche Bruch nach Thutmose III. wurde einmal so interpretiert, dass eine neue Rasse in Ägypten Einzug gehalten hätte56. Dem spricht entgegen, dass es von der „alten“ Rasse plötzlich gar keine Spur mehr geben soll. Nach unserem Dafürhalten handelt es sich beim angesprochenen Wechsel lediglich um eine Änderung in Darstellungskonvention und Stil, denn er lässt sich ausgezeichnet mit dem Wandel in den Abbildungsstilen auch anderer Bildthemen parallelisieren. Interessant ist eine retardierende Darstellung aus der 25. Dynastie.57

Offenbar hat man sich bei den frühen Darstellungen von Pferden zunächst eng an Eselbildern orientiert. Beiden ist der „Schreitschritt“ gemeinsam. Die Pferde hat man von den Eseln dann mit ihren natürlich kurzen Mähnen durch Kennzeichnung mit langen Mähnen und dem Schweif unterschieden. Bei dieser alten und frühesten Darstellungsart blieb man dann auffälligerweise bei den Maultieren, die bis in die spätere Zeit (siehe Abbildung 13) immer den Schreitschritt aufweisen. Ein solches Nebeinander von Maultieren und Pferden ist in Abbildung 10 zu sehen.


Tabelle 1: Typologie der Pferdearstellungen

Zeitstellung

Datierende Eigenschaften

Beispiel

Bis Thutmose III

Schreitschritt, lange Mähne, runde Augen

Abbildung 1

Amenophis II und III

Häufig „versammelte“ Haltung. Halslänge entspricht dabei etwa Körperlänge, ab jetzt kurzgeschorene Mähne

Abbildung 12

Amarnazeit und später

Viele Variationen in der Haltung möglich, insbesondere auch in „Übungszeichnungen“ auf Ostraca. Häufig langer schmaler Körper.

Abbildung 9

Der Wagen

Bezeichnungen für den Wagen sind zum Teil entlehnt aus Vorderasien, zum Teil haben sie eine ägyptische Herkunft. Während der achtzehnten Dynastie ist „wrry.t“ in Gebrauch, dessen Herleitung trotz mancher Vorschläge in der jüngeren Vergangenheit noch nicht vollständig geklärt ist.58 Ab der neunzehnten Dynastie tritt das aus dem vorderasiatischen Raum entlehnte „markabtu(m)“ vermehrt auf und bezeichnet alleine den leichten einachsigen Wagen. „wrry.t“ hingegen steht auch für Lastwagen59. Bezeichnungen für Lastwagen sind mit dem vorderasiatisch entlehnten „suparru“ und dem bis ins Koptische belegten „AGOLTE“ überliefert. wrry.t ist nach der Quellenlage der Oberbegriff für Radfahrzeuge. Wir kennen eine ganze Reihe von Lastkarrenabbildungen und Textbelegen60, in deren Zusammenhang auch verschiedene Zugtiere zum Einsatz kommen: Unter anderem der Esel in Ostracon Cairo 25543 recto: „Der (weibliche) Karrenesel ...“ und Rinder in einer Darstellung von Syrern mit Lastkarren.61 Ganz erstaunlich ist die Tatsache, dass man in der achtzehnten Dynastie durchaus auch Maulesel (siehe Abbildung 10) vor den einachsigen Personenwagen spannte. Diese Bilder aus thebanischen Beamtengräbern gehen allerdings allesamt auf eine einzige Vorlage zurück62, was die Auswertung in Hinblick auf eine Verallgemeinerung erschwert.



Abbildung 10 Maultiere am Wagen an einer Tränke (untere Standlinie)



Militaria

Die Art der militärischen Verwendung des Gespanns in der Spätbronzezeit können wir aus den ägyptischen Quellen teilweise beantworten, die Übertragbarkeit auf andere Gegenden oder Zeiten ist damit freilich nicht gewährleistet.


Die Hauptwaffe auf dem Wagen ist der Bogen. Von der beweglichen Plattform als Fernwaffe eingesetzt heißt das, konzentrierte Feuerkraft kann überraschend und an schnell wechselnden Stellen eingesetzt werden. Dies gilt sowohl im defensiven wie im offensiven Fall gleichermaßen. Um einer taktischen Bewegung auf die Flanken und den Rücken der eigenen Infanterie zuvorzukommen und zu begegnen, bedarf es einer gleich gearteten Waffenkombination (Pferd und Wagen) in angemessener Anzahl. Dieser Sachverhalt macht es denkbar, dass die steigenden Gespannzahlen im Verlauf des Neuen Reiches vielleicht eine Art erstes internationales Wettrüsten widerspiegeln.


Gespanne sind durch gegnerischen Pfeilbeschuß leicht außer Gefecht zu setzen und sollten daher einer feindlichen Aufstellung von Fußtruppen nicht en face entgegenfahren. War ein Vorgehen und das Ziel einmal abgestimmt und die Operation gestartet, muss sich die Befehlsübertragung und folglich die Synchronisierung einer Einheit bei Änderung von Taktik und Zielen schwierig gestaltet haben.


Eine Darstellung von Trainingsmaßnahmen im militärischen Umfeld gibt Aufschluß darüber, dass man von fahrenden Wagen aus mit Pfeil und Bogen ein aufgestelltes Ziel zu treffen suchte und genau dies übte. Gezielt wird hier einmal nicht über die Front sondern umgewandt nach rückwärts (Abbildung 11). Der Herkunft Memphis und der Zeitstellung zur ramessidischen Periode ist zu ergänzen, dass neben dem militärischen Zentrum dort63 ein zweites im östlichen Delta „Piramesse„ zur Seite zu stellen ist.



Abbildung 11 Manöver mit Bogenschütze auf Gespann, Eine Zielscheibe im linken Teil.



Der typischer Einsatz von Gespannformationen ist in den Bildern und der Beschreibung der Schlacht von Qadesch ablesbar. Das taktische Vorgehen der hattischen Wagentruppe ist als überfallartiger Angriff auf die im ägyptischen Lager anwesenden ungeordneten Truppen zu werten, in dessen weiteren Verlauf das Durcheinander so weit ging, dass sich der König allein und von allen verlassen sah. Als Infanterist hätte er in einer solchen Lage kaum mehr die Möglichkeit zur Befreiung gehabt und das wirft ein weiteres Licht auf die Motivation zum Gebrauch von Pferd und Wagen in den spätbronzezeitlichen militärischen Auseinandersetzungen. Es scheint wohl so zu sein, dass ein Gespann nicht nur einen offensiven Charakter hat, sondern seiner Besatzung in einer brenzligen Situation auch die willkommene Möglichkeit zum „Stiften“ eröffnet.


Zu dieser Zeit sind nur Hengste am Wagen eingesetzt und wenn wir hier kurz die Taktik der Wagentruppen beleuchtet haben, darf der Hinweis auf die „Kriegslist“ des Fürsten von Qadesch nicht fehlen, der eine rossige Stute auf das Kampffeld laufen ließ64 und so in den ägyptischen Wagenreihen Verwirrung auslöste.


Zur quasi-militärischen Verwendung des Wagens gehört die im Zusammenhang mit Patrouillen zu leistende Aufgabe. Kleine gespanngestützte Gruppen können eine größere Fläche in kürzerer Zeit überwachen und Aufklärung leisten als Fußtruppen.65


Schon mehrfach wird sich der Leser gewundert haben, warum bislang das Reiten gar keine Erwähnung fand. Wenn auch selten, es gibt sie aber, die Patrouillen- und Meldereiter. Eine anekdotenhaft anmutende Textstelle rügt diese Boten und Kundschafter. König Haremhab66 äußert in einem offiziellen Dekret seinen Unmut über ihr ungebührliches Verhalten: „Sie treten durch die Türen [des Königspalastes] galoppierend zu Pferde [bis hin] zum verbotenen Ort“, wohl die Audienz- und Besprechungsräume des Königs.


Wir finden diese Boten ohne Sattel und Steigbügel auf dem Rücken der Pferde. Offenbar wurde der Gedanke nicht konsequent weiter verfolgt, eine Kavallerie aufzubauen. Denn eine gleichzeitige Führung der Zügel gemeinsam mit der Benutzung des Bogens stand die unausgereifte Ausrüstung auf dem Pferderücken noch entgegen. Etwas anderes kommt vielleicht noch hinzu: Es scheint so, als dass es für die höhere Schicht unakzeptabel und unehrenhaft gewesen ist, auf Esel oder Pferd zu sitzen. „Sie zogen ab auf Eseln, denn ich hatte ihre Gespanne erbeutet“ spottet nämlich Thutmose III. über die Führung von Megiddo nach ihrer Kapitulation67.


Wie die Pferdeverwaltung war auch die Herstellung und Verwaltung der Wagen durchorganisiert. Eine Normung der Teile war im Ersatzfall so bedeutend, dass sie mit einiger Wahrscheinlichkeit Anwendung fand68. Die Bildnisse über die Wagenherstellung und daraus abzulesenden Fertigungstechniken sind zahlreich und in einem Textbeleg erhalten wir Einblick in die Fabrikationslogistik: In Papyrus British Museum No. 10100 wird ein Auftrag beschrieben, fertige Wagendeichseln auf den Weitertransport vorzubereiten, und zwar gefälligst ohne sie schon zu installieren69. Wagenteilimporte aus dem Ausland sind gleichermaßen belegt, wie überhaupt ein reger wirtschaftlicher Handel (zum Teil aus „ideologischen“ Gründen als „Tributleistungen„ bezeichnet) und ein Austausch mit Geschenken mit den Palästen, Städten und Flächenstaaten des Ostmittelmeerraumes vonstatten ging. Dabei wurden Wagen und ganze Pferdeherden als Gut transferiert (siehe Abbildung 12).



Abbildung 12 Syrische Gesandte mit Pferden und Wagen als Geschenk


Die Bildnisse der Wagenherstellung setzen etwa zur gleichen Zeit ein, in der auch die Pferdeverwaltung militärisch durchorganisiert wurde. Dies kann kein Zufall sein und betont noch einmal den Organisationswandel in der späten achtzehnten Dynastie beginnend mit den Abbildungen unter Thutmose III. Ein weiteres Indiz für den Einschnitt datiert nach Amenophis III, unter dessen Regierung der erste Beleg für den offiziellen Titel „Wagenhandwerker“ fällt. Die Wartung der Wagen ist hingegen einer Person mit besonderem Titel überantwortet, der sich ägyptisch „z3wtj mrkbt„ nennt. Wartungs- und Reparaturmaßnahmen sind freilich auch im Feld vorzunehmen und konkreten Aufschluß darüber geben uns die Darstellungen des ägyptischen Lagers vor den Toren Qadeschs (Siehe Abbildung 13).


Abbildung 13 Das ägyptische Militärlager vor der Stadt Qadesch.




Gespannbesitz und Identität

Zum Schluß lenken wir die Aufmerksamkeit auf ein überholtes wissenschaftsgeschichtliches Phänomen. Es ist geprägt von der Annahme, durch den Gebrauch von Gespannen hätte sich im gesamten Ostmitelmeerraum und auch in Ägypten „naturnotwendig" eine den mittelalterlichen Rittern ähnliche Ethik und Identität ausgebildet, mit der die Entstehung einer Wirtschafts- und Sozialstruktur des Feudalismus einhergegangen sei. Nun ist die mediävistische Forschnung selbst seit längerem an dem Punkt angelangt, dass sie die „Ritterethik" für nicht existent erachtet. Die Vorstellung davon geht vielmehr auf eine Projektion zurück, die man erst nach der „Ritterzeit" literarisch etwa anhand von Don Quichotte nachweisen kann und die wissenschaftsgeschichtlich zum Beispiel in Deutschland in auffallender Weise mit der Romantik und der Kaiserkrönung Wilhelms und dort mit der Findung nationaler Identität zusammenfällt. Die Forschungsgeschichte ist auf unheilvolle Weise auch mit der Entdeckung der indoeuropäischen Sprachen verknüpft, deren Trägern im kolonialzeitlichen 19. und 20. Jhdt . neben anderen Segnungen der Menschheit unter anderem auch die Erfindung von Wagen zugeschrieben wurde. Vor allem P.Raulwing hat mit seiner fachübergreifenden Analyse und Methodenkritik bei der Aufarbeitung des Themas in den vergangenen Jahren Maßstäbe gesetzt70.


Weder ein Nachweis für Feudalismus noch die Existenz einer Ritterethik ist den Quellen Vorderasiens und Ägyptens bei genauer Betrachtung abzuringen71. Im Verlauf unseres kurzen Abriß haben wir eine Emotion wie „Stolz" nachweisen können und festgestellt, dass Wissen und Erfolg beim Umgang mit Pferden als Positivum in das Wertgefüge selbst ägyptischer Könige Eingang gefunden hat. Parallel geht damit einher, dass sich gesellschaftlich höher stehende Beamte des ägyptischen Staatsapparates in ihrem Statusdenken kaum mehr eine andere angemessene Fortbewegungsweise als die "zu Gespann" auf Dienstreise vorstellen wollten und konnten. Von Feudalismus ist keine Spur zu finden: Es sind Staatsangestellte im gelenkten planwirtschaftlichen System Ägyptens, die mit der Aufzucht der Pferde beschäftigt sind und die Art der Landzuweisung für diese Aufgabe unterscheidet sich in nichts von der Landvergabe an andere Personen und für andere Nutzungsweisen.

Zusammenfassung English

This summary paper deals with the use of the two wheeled chariot in Egypt during the New Kingdom. New articles since the autors monography are listed. Horse and chariot were introduced from the Near East and brought an advance of time in regard of transport of person and information as well as new options in military tactics. In the beginning it was spread among few high ranked administrative personnel and the royal family. From the late eighteenth dynasty onwards a central administration was set up, marked by the introduction of new titles and growing numbers of chariots and horses. Sources from texts and other remains are combined to draw a picture of the skills in managing and training horses, personal relationships and emotional as well as social and religious background of their use in Egypt. At the end the rather positivistic view in the main stream of scientific literature of the past 150 years in regard of a „necessary“ social change towards „feudalism“ due to the introduction of horse drawn chariots is shortly discussed. Taking the original textual, pictoral and archeological sources into account it is prooved that such social changes were by no means historical reality.


Literaturverzeichnis

A. im Aufsatz ausgewählte Textstellen und Editionen der Papyri und Ostraca.

Papyrus Strassboug (Briefe aus El Hibeh) SPIEGELBERG, W. 1917

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Papyrus Anastasi III GARDINER, A.H. 1937

Papyrus Leiden 349b BAKIR, A. 1970

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Papyrus Harris 500 (Doomed Prince) GARDINER, A.H. 1932

Papyrus Chester Beatty I GARDINER, A.H. 1931

Papyrus Cairo 58054 BAKIR, A. 1970

Papyrus Lansing GARDINER; A.H. 1937

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Papyrus Bologna 1094 CAMINOS, R.A. Late Egyptian Miscellanies 1954

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Papyrus British Museum 10100 WENTE, E.F. 1967

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Ostracon Deir el Medineh 1264 POSENER, G. 1938

Ostracon Deir el Medineh 1078 POSENER, G. 1938

Ostracon Cairo 25543 NIBBI 1979

Ostracon Edinburgh 916 (Poem of the Kings's Chariot) SCHULMAN, A.R. 1986


B.) Literatur Abkürzungsverzeichnis

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WOLF, W 1957: Die Kunst Ägyptens 1957

ZEIDLER, J. 2000: Zur Etymologie von wrry.t „Wagen“. Mit einigen Bemerkungen zur 'syllabischen' Schreibung. In: Göttinger Miszellen Bd. 178, 97-111


Autorenanschrift

Dr. Ulrich Hofmann

53721 Siegburg


Abbildungsverzeichnis


Abbildung 1 Ein Gespann wartet mit Fahrer im Feld auf seinen Besitzer. Grab des Paheri in El Kab.

Abbildung 2 Jagd zu Wagen aus Theban Tomb 123. Datierung: Thutmose III.

Abbildung 3 Jagd aus Theban Tomb 56. Datierung Amenophis II. Die Beischrift wurde nicht ausgeführt..

Abbildung 4 Plan des Stallgebäude in El-Amarna.

Abbildung 5 Reste eines Spielzeugwagens mit einem Affen als Lenker. University Collection London. (Petrie Collection) .

Abbildung 6 Spielzeugmodell. Fitzwilliam Museum. Angekauft. EGA 4595, 1934. Der Reifen aus Fayence gehört nicht dazu.

Abbildung 7 Ein Kamm (im Paar erhalten) mit Pferd am Trog als Zierde und Handhabe. Aus W. M. F. Petries Grabung in Gurob. Zeitstellung: Ramses II.

Abbildung 9 Nachamarnazeitliches Relief mit Pferdeburschen. Memphis Grab 2733.

Abbildung 8 Die Gänge für Pferdeboxen im Stall von Amarna. Zustand der Grabung im Sommer 1988. Blick von Westen. Die nördlichste Gangmauer und die Umfassungsmauer laufen in der Entfernung im spitzen Winkel aufeinander zu. Der Trogvorbau ist heute gestört.

Abbildung 10 Maultiere am Wagen an einer Tränke (untere Standlinie). British Museum London Nummer 37982.

Abbildung 11 Manöver mit Bogenschütze auf Gespann, Eine Zielscheibe im linken Teil. Memphis Grab 2733.

Abbildung 12 Syrische Gesandte mit Pferden und Wagen als Geschenk. British Museum London 37987.

Abbildung 13 Das ägyptische Feldlager vor Qadesch. Zu sehen sind Pferde und Maultiere, Wagenhandwerker, die eine Bodengruppe eines Wagens bearbeiten und eine Kontrolle auf Sitz des Rades auf der Achse durchführen. Lastwagen mit vorgespannten Mauleseln sind unter der Bildmitte rechts außen zu sehen.


Anhang


Zur zeitlichen Einordnung der im Text genannten chronologisch relevanten Bezeichnungen.


Dyn.

Name

Zeit

Besonderheit

XVIII

Ahmose

1552-1527

Vertreibt die Hyksos aus dem Delta


Amenophis I.

1527-1506



ThutmoseI.

1506-1494



ThutmoseII.

1493-1490



Hatschepsut

1490-1468



Thutmose III

1490-1436

Feldzüge in Vorderasien, Qadesch


Amenophis II.

1438-1412



ThutmoseIV.

1412-1402



Amenophis III.

1402-1364



Amenophis IV. / Echnaton

1364-1347

Amarnazeit


Semenchkare

1347-1347



Tutanchamun

1347-1338



Aja

1337-1333



Haremhab

1333-1306


XIX

Ramses I.

1306-1304

Beginn der Ramsessidenzeit


Sethos I.

1304-1290



Ramses II.

1290-1224

Schlacht von Qadesch


Merenptah

1224-1204



Sethos II.

1204-1194



Siptah

1194-1188



Tausret

1188-1186


XX

Sethnacht

1186-1184



Ramses III.

1184-1153

Schlacht gegen die Seevölker



Ramses IV.

1153-1146




Ramses V-XI.

1146-1070



1Liste der wichtigsten Literatur nach der Monographie von HOFMANN, U. 1989 und ROMMELAERE, C 1989: DECKER, W. 1994; RAULWING, P. 1993; RAULWING, P. 1994; HEROLD, A. 1999, ZEIDLER; J. 2000; PARTRIDGE R. 1996; SCHULMAN 1995; GNIRS, A. 1996

2Zur zeitlichen Einordnung der genannten Pharaonen und Perioden siehe Liste mit absoluten Jahreszahlen im Anhang.

3 NEWBERRY, P.E. 1894 p.17ff. Eine einachsige Sturmleiter aus dem Mittleren Reich: SENK, H 1956

4 Sei es aufgrund schlechter Erhaltungssumstände oder einer wie auch immer motiviertern zeitgenössischen Unterdrückung von Überlieferung.

5 Dieser Terminus ist zwar alt, galt vordem aber allgemein für Zugtiere. In der jüngsten Sprachstufe des Ägyptischen, dem Koptischen christlicher Zeit, steht HTOORE sogar nur mehr für das Pferd selbst

6 Aus einer Schicht der frühen Hyksoszeit sind in Tell el Dab’a (Hauptsitz der „Hyksos“ im Ostdelta) Pferdezähne geborgen worden.

7 Reste einer solchen Darstellung in Bruchstücken aus seinem Totentempel, umgebaut unter Thutmose III.: BRUYÈRE, B. 1925

8 Zur Geschichte der Pferdeverwaltung siehe: HOFMANN, U. 1989 p.106f

9 GNIRS, A. 1996

10Theban Tomb Nummer 123, Urk. IV 1026. Abb. HOFMANN, U. 1989 Taf.023

11 Um einmal mehr Mißverständnissen vorzubeugen: Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Grabherr das Gespann auch zur Jagd nutzte, im Grabkontext ist die hier abgegebene Deutung ausschlaggebend. Zur Korrektur der Ergänzung einer Jagdszene aus Debeira: HOFMANN, U. 1989 p.355 und Taf.022

12Siehe Hofmann Fuhrwesen p.111. Textstelle für private Stallanlage: pLansing 12.4

13Und zwar barfuß zu Wagen, die Sandalen keck über den Arm gestreift siehe HOFMANN, U. 1989 Taf.034 und auch sonst häufig in Darstellungen aus der Amarnazeit.

14Papyrus Strassbourg b 33

15Papyrus Moskau 127

16Papyrus Geneva D 191 vs. 14 Zeile 11-12

17Siehe im Einzelnen HOFMANN, U. 1989 p.37ff

18ssm.t Siehe HOFMANN, U. 1989 p.42, [hur]scha ibid p.44

19HOFMANN, U. 1989 . p. 35

20HOFMANN, U. 1989 . p.58

21Papyrus Sallier I 4.10

22WOLF, W. 1957 p.514 Nr. 88

23 Papyrus Chester Beatty I G1

24 Urk.IV 1282

25 Papyrus Anastasi I 18.5

26 Papyrus Anastasi I 18.5

27 Ostracon Deir el Medineh 1078

28T ürsturz mit Pferdedarstellungen aus El Hilleh = KRI V p.393

29 Papyrus Leiden 349b

30 Qasr Ibrim Stele Sethos I: KRI I 98-99

31 Papyrus Harris 500 5.8-9

32 Papyrus Chester Beatty 29 G1

33 KRI II 382

34 Papyrus Chester Beatty I 29 G1

35 Papyrus Leiden 350. Auch die Ausgabe an Wagenfahrer ist dort notiert.

36 Papyrus Sallier I 4.9-10

37I n den Ställen Pi-Ramesses in Qantir zu beobachten.

38 Papyrus Cairo 58054 Zeile 12-13. Pferde des Gaues werden zur Militärzentrale Memphis mit den Stallmeistern in Marsch gesetzt.

39 HOFMANN, U. 1989 . p.126ff

40 Ägyptisch: gw. HOFMANN, U. 1989 p.43

41 Papyrus Sallier I 4.10-11

42 Papyrus Lansing 2.8

43 Papyrus Guimet 16959 c Zeile 4

44 Papyrus Chester Beatty 29 G1

45 Das sind Texte, die ein angehender Schreiber als Schüler abzuschreiben hatte. Um ihn zum Lernen anzuhalten, werden die Fährnisse anderer Berufe in den dunkelsten Farben gezeichnet.

46 Papyrus Anastasi III 6.2-10

47 Papyrus Anastasi I 20.1 Zur Deutung des Papyrus als Bildungskritik: FISCHER-ELFERT, H.W. 1986

48 Die Berichte über die Begeisterungsfähigkeit und den Kenntnisreichtum Amenophis II. in Bezug auf das Gespannfahren sind hingegen Zeugnisse von Individualität und darin speziell einem persönlichem bzw. in Ägypten adaptierten Wertegefüge. Sie gehören nicht in den Kontext der klassischen Königsideologie.

49 Übergabe von Wagen anläßlich des Neujahrsfestes und des KahrKa Festes: Ein Talatat am 9. Pylon von Karnak: Zeitstellung Amenophis IV, Echnaton. Siehe auch: Wagen zum Neujahrsfest: Urk.IV 1390; zum Hebsedfest: Papyrus Bologna 1094 4.3-5

50 Siehe oben Anmerkung 48

51 Siehe oben Anmerkung 33

52 ASAE 20. p5 aus El Hibeh

53 SAK 9, 1981 p.64 Taharakastele RIII

54 Mitsamt Angaben über die Masse: Siehe JEA IV, 1917 p.148

55 ROMMELAERE, C. 1989 passim und HOFMANN, U. 1998 p.84 mit vorausgehender kritischer Betrachtung früherer kunstgeschichtlicher Untersuchungen. HANSEN, K. 1992 interpretiert die „Versammlung“ (engl. „Collection“) der Pferde als notwneidg und vorteilfhaft. Sie tritt vermehrt in der Stufe II unserer Typologie auf.

56 ROMMELAERE, C.1989 „Les Races“ und „Les Styles“ . p.31f

57 DUNHAM, E. 1970. Taf. 50 A-C Stelle 501 . Siehe dort Plan I

58Gegen die Herleitung aus dem inodarischen überzeugend: P.Raulwing, Götinger Miszellen 140 (1994) 71-79 und zuletzt ZEIDLER; J. 2000 mit einem Vorschlag zur Herleitung aus hamito-semitischen Wurzeln.

59HOFMANN, U. 1989 p.160

60HOFMANN, U. 1989 p. 290

61Theban Tomb 17: HOFMANN, U. 1989 Tafel 117.

62HOFMANN, U. 1989p.49ff

63 Als Sammelstelle für Pferde in Papyrus Cairo 58054 10ff bezeichnet

64 Urk. IV 894

65 Solche Patroullien werden von sogenannten „Maher“ gebildet.

66 Urk. IV 2159

67 Gebel Barkalstele Thutmose III, Urk. IV 1236

68 Die archäologisch erhaltenen Wagen sind zwar nicht genormt, stammen aber zum Großteil aus Sonderfertigungen für den König und sind keine standartisierten Exemplare. Für Vorderasien belegbar: HOFMANN, U. 1989 p .201; Massvergleiche: ibid Anhang 2 p.335 ff

69 WENTE, E.F. 1967 p.66ff, HOFMANN, U. 1989 p.119f

70 Siehe auch seinen Beitrag im vorliegenden Band.

71 Siehe den Abschnitt „Gespannbesitz und Sozialstruktur“ auch für Vordeasien: HOFMANN, U. 1989 296ff